Geschichten, die das Leben mit Zöliakie schreibt. Von Zölis. Für Zölis. – Teil 2

Jeder Mensch mit Zöliakie hat seine ganz eigene Geschichte: Wie war das, als du die Diagnose erfahren hat? Wie hat dein Umfeld reagiert? Welche Herausforderungen gibt es im Alltag? Was sind besonders schöne, überraschende oder schwierige Momente? Ich habe euch vor Kurzem gefragt, eure Geschichten als Zöliakie Betroffene zu teilen, um anderen Zölis Mut zu machen, Wissen zu vermitteln oder einfach zu zeigen, dass wir nicht alleine mit der Diagnose sind. Von Zölis. Für Zölis.

Heute freue ich mich eine weitere Geschichte teilen zu können! Vielen Dank an Denise für deine #ZöliGeschichte!

Denise – Ich weiß mir selbst zu helfen

Ich bin Denise. Wurde im Juni 1984 in der DDR geboren. Im November 1985 habe ich meine Diagnose und einen entsprechenden Zöli-Ausweis erhalten. Vor der Diagnose machten sich meine Eltern Sorgen um mich, weil ich Gedeihstörungen aufwies: blass, schwach, geblähter Bauch. Meine damalige Krippenerzieherin gab den entscheidenden Rat, dass meine Eltern mich auf Zöliakie testen lassen sollen – sie hätte so ein Kind schonmal gesehen. Mit diesem Rat konnte der diagnostische Volltreffer gelandet werden! Meine Mutti trat einer Art Selbsthilfegruppe bei, die der DZG unterstand. Darüber hatten wir Kontakt zu anderen betroffenen Familien. Ich wuchs in einem sehr kleinen Dorf auf und war bald das Mädchen mit der Mehlallergie.

Damals war glutenfreies Backen wirklich noch eine Herausforderung

Meine Eltern haben aufgrund meiner Diagnose vergünstigt einen Tiefkühlschrank kaufen können und haben für mich häufiger als regulär Bananen, Apfelsinen und Joghurt kaufen können. Fertige glutenfreie Lebensmittel gab es kaum. Mehl musste im Reformhaus in ca. 70km Entfernung bestellt und dann abgeholt werden. Mein Papa hat Brötchenbackformen aus Alukellen gebaut. Die ersten glutenfreien Brötchen haben wir Indianerbrötchen genannt, weil die so hart waren, dass man damit Büffel erschlagen konnte. Die einzigen Kekse, die es für mich zu kaufen gab, hat Mutti immer ganz oben im Küchenschrank gehortet. Die gab es nur auf Zuteilung. Im Kindergarten hatte ich immer ein Glas mit Keksen, die meine Erzieherin für mich gebacken hat. Mutti hat so viel gebacken und ausprobiert und war nie sauer, wenn es mir mal nicht geschmeckt hat. Ich weiß nicht, wie viel Brot wir zu Semmelmehl verarbeitet haben, weil es anders nicht genießbar war. Damals war glutenfreies Backen wirklich noch eine Herausforderung.

Das Thema Kontamination war uns damals noch nicht bekannt

Heutzutage gibt es ja immer alles zu bestellen, was die Backwaren geschmeidiger macht. Und Unmengen Rezepte, Tipps und Videos. Damals stand meine Mutti quasi allein da. Die Aufklärung war auch nicht annähernd so tiefgreifend. Aus Mitleid durfte ich manchmal ein echtes Brötchen oder eine Eiswaffel essen. Auch das Risiko von Kontamination gab es in meiner Kindheit nicht. Besser gesagt, wir wurden nicht darüber informiert.

Als ich in die Grundschule kam, ist Mutti mit mir vorab in die Schulküche gegangen und hat mich und meine Zöliakie dort vorgestellt. Wir haben Mehl, Nudeln und Co abgegeben, damit diese Dinge für mich separat zubereitet werden konnten. Bei diesem ersten Kennenlernen trug ich einen pinken Haarreifen. Damit mich die Küchenfrauen immer wieder erkennen und mir das richtige Essen geben, musste ich diesen Haarreifen in den ersten Schulwochen täglich tragen. Darüber lachen wir heute noch, wenn wir uns begegnen.

Ab der 5. Klasse ging ich auf das Gymnasium, lernte neue Klassenkameraden kennen, wurde zu Kindergeburtstagen eingeladen. Ich habe natürlich immer meine eigene kleine Kuchendose mitgenommen und wurde deshalb einmal gefragt, ob ich denke, dass die Mutti des Geburtstagskindes nicht backen kann…

Von Zölis. Für Zölis.

Die Teenager Zeit mit Zöliakie

Als ich älter wurde und den ersten Freund hatte, war es mir peinlich ein Zöli zu sein und habe es total verdrängt. Trotz mehrerer Jahre inkonsequenter glutenfreier Ernährung hatte ich keine Symptome, außer auffälliger Blutwerte. Als Teenie denkt man aber auch nicht weiter…

Nachdem mein Papa an Darm Krebs erkrankte, begann aber ein drastisches Umdenken, was durch die Geburt meiner Tochter nochmal verstärkt wurde. Seitdem lebe ich wieder völlig glutenfrei, weil ich weiß, dass ich mir damit gut tue und dazu beitragen, dass es für alle Zölis einfacher wird, wenn wir Präsenz zeigen und aufklären. Meine Tochter hat sogar im Sandkasten für mich glutenfrei gekocht. Das hat andere immer sehr beeindruckt und mich gerührt. Wenn sie etwas besonders lecker fand, was für mich aber tabu war, hat sie mich immer ganz großzügig dran riechen lassen, damit ich auch was abbekomme. Zu süß! Sie verzichtet manchmal auf bestimmte Leckereien, damit ich ihr nicht beim Naschen zuschauen muss. Herzzereißend. Sie sagt dann oft: Mama, wenn wir das Zuhause selbst und dann gf machen, schmeckt es noch 1000x besser. Mein kleines Goldstück. Sie will die Welt für mich glutenfrei machen!

Ich kreiere mir meinen Genuss zuhause selbst

Ja, Zöliakie schränkt mächtig ein, vor allem, wenn man in der totalen Provinz wohnt. Aber heutzutage gibt es doch alles online an Produkten, um zumindest zuhause quasi auf nichts mehr verzichten zu müssen. Wenn ich z. B. mit Kollegen darüber spreche, was ich zuhause alles selbst mache, ernte ich kein Mitleid, sondern Bewunderung für meine Kompetenzen im Kochen und Backen. Und das tut so gut!

Ob ich diese Kompetenzen entwickelt hätte, wenn ich kein Zöli wäre, weiß ich nicht. Und ich finde, dass mich meine Zöliakie auch vor unüberlegten Kalorien schützt: ich kann mir nun mal nicht einfach so nen Burger, ne Pizza oder ein süßes Gebäck zwischen die Zähne schieben. Für schnell mal zwischendurch sind Apfel und Banane meine Hungerkiller.

Ich jammere nicht, ich kreiere mir meinen Genuss zuhause selbst. Ich muss mich nicht auf andere verlassen, ich kläre andere auf. Ich bin nicht wie alle anderen, ich bin etwas Besonderes und weiß mir selbst zu helfen.

Liebe Denise, vielen Dank für deine inspirierende #ZöliGeschichte! Das war ein weiterer Teil dieser Serie. Von Zölis. Für Zölis.

Wie geht es dir mit deiner Zöliakie?

Schick mir deine #ZöliGeschichte! Hier findest du alle Infos:
Zöliakie hat viele Gesichter: „Erzähle deine Geschichte“

Jenni Marieni

Hallo! Ich bin Jenni.

Zöli. Mutmacherin. Entdeckerin. wienverliebt.

Mit meinem Blog möchte ich dir Tipps für das Leben mit Zöliakie geben und dir Mut machen, auch mit einer Autoimmunerkrankung das Leben so richtig zu genießen. Meine Liebe zu Wien ist hier genauso Thema, wie Erlebnisse aus meinem Alltag und glutenfreie Entdeckungen.